AUF DER METALCOUCH (Legacy 69/Oktober 2010)
Auf der Metalcouch …
mit Mikis Wesensbitter…
…steht heut alles unter dem Banner der herbstlichen Gemütlichkeit. Dunkle Ambietklänge ertönen, Kerzen leuchten in den ausgehöhlten Kürbissen, eine Duftlampe verströmt holzigwarme Essenzen und die wuscheligen Alpakasocken kommen an meinen Füßen zu ihrem ersten saisonalen Einsatz. So ist mir das schön. Die Telefone sind ausgeschalten, die Klingel ist abgestellt und der Computer ist runtergefahren. Heute ist Wellnessabend, heute herrscht Besinnlichkeit auf der Metalcouch. Im Aschenbecher brennt langsam eine Zigarette vor sich hin und ich eröffne den Abend mit einem schönen wohltemperierten Union Bier aus Slowenien. Schon zu sehen, wie das Bier aus der Flasche langsam ins Glas läuft, bereitet mir höchsten Genuss, aber wie viel größer erst ist das Entzücken, welches mir der erste Schluck bereitet. Und dann weiß ich es endlich, dann habe ich endlich die Idee, auf die ich die ganze Zeit gewartet habe. Ich werde als Schlumpf zur Redaktions-Helloween-Party gehen. Ich werde mich nicht wieder als Freddy Krüger herausputzen, oder eine scheußlich Micheal Meyers Latexmaske aussetzen. Nein, ich werde einfach als Schlumpf gehen. Denn damit rechnet nun wirklich keiner, und der Preis für das schrillste Kostüm gehört mir. Diesmal lass ich mich nicht wieder von Siegertreppchen schubsen, wie in all den Jahren zuvor. Euphorisch greife ich mir eins von den Sonntagsbieren aus der skandinavischen Kiste und feiere meinen zukünftigen Sieg, als die Musik plötzlich ungemütlich wird. Ein atonales Noisegewirr überlagert die ambienteske Soundkulisse. Dieser unentspannte Song war mir noch nie aufgefallen und dabei hörte ich die CD nun schon seit einigen Jahren. Das würde ich überprüfen müssen, wenn ich nüchtern bin! Und plötzlich fliegt die Tür auf und ich sehe mich unvermittelt zwei Polizisten gegenüber. Was ist denn nun passiert? Die Polizei spielte doch auf der Metalcouch nie mit, was wollen die denn plötzlich hier? Ich gehe im Kopf mein ganzes Sündenregister durch. Da kommt zwar einiges zusammen, aber das sind eigentlich alles keine Gründe, um mich mit einem Sondereinsatzkommando abzuholen. Ich hebe vorsorglich eine Hände hoch, man weiß ja nie.
„Sind sie wahnsinnig? Hören sie kein Radio oder schauen Fernsehen? Sie sollten hier schon seit Stunden raus sein. Auf der Baustelle wurde eine Fliegerbombe gefunden, die jeden Moment entschärft wird. Wollen sie mit der Bude in die Luft fliegen oder was?“
„Hä? Welche Baustelle denn? Die wo der Großmarkt hinkommen soll? Das ist doch ewig weit weg.“
„Ja und was meinen sie, wie weit sich so eine Bombe auswirkt? Raus jetzt hier, sofort. Die ganze Entschärfung stockt nur wegen ihnen!“
Ich überlegte fieberhaft, was ich alles mitnehmen musste, aber die ungeduldige Bullei machen meinen Ansinnen sofort ein Ende. Ich durfte mir gerade noch die Schuhe und eine Jacke anziehen. Nicht mal die Kerzen durfte ich auspusten, ganz zu schweigen von einer Mitnahme meiner CD-Sammlung. Sie stopften mich in ihren Einsatzwagen und brausten davon.
Und dann fand ich mich in einer Turnhalle wieder, die zum Notaufnahmelager umfunktioniert worden war. Kinder weinten, alte Frauen schluchzten und Männer pöbelten. Das technische Hilfswerk reichte Teewurstschnittchen und Kräutertee, und die Gerüchteküche brodelte. Wo war ich hier nur hingekommen?
Leider war die Bombenentschärfung bis zum Redaktionsschluss noch nicht beendet, es gab eine ganze Reihe von ungeahnten Komplikationen, so das der Ausgang weiter ungewiss ist. Wird alles gut, oder explodiert die Bombe doch und reißt das ganze Metalcouchparadies mit sich? Im nächsten Heft wisst ihr mehr, bis dahin heißt es Daumendrücken.
Genießt eine unbeschwerte Zeit, schützt Euch vor dem verfrühten Weihnachtsgeschenkekauffieber und anderen Zivilisationskrankheiten. Vor allem aber mögen die Brauereien Eures Herzens von emotionalen Tiefnebelfeldern verschont bleiben.