AUF DER METALCOUCH (Legacy 57, Oktober 2008)
Auf der Metalcouch mit Mikis Wesensbitter
..schwelgt heute alles in Herbstschönheit. Es duftet nach Wald und Heide, camouflage Blumensträuße schmücken die Vasen, Kerzen flackern sacht, morbide Klänge füllen den Raum und ein feinstoffliches Ensemble Herbstbiere präsentiert sich auf dem Couchtisch, ordentlich in Reih und Glied. Was für eine Momentaufnahme der Idylle! Was für ein romantisches, ja fast schon kitschiges Wohlfühlatmosphärendesign!
Nur leider trügen zwei seltsame Besucher den schönen Eindruck. Zwei Gestalten, die links und rechts neben der Couch lauern. Eine strenge Frau und ein finster dreinblickender Herr. Mutti und Vati? Nee, die sind es nicht. Die hätten ja schon lange Platz genommen und sich von einem zartperlenden Chimay-Bier verzaubern lassen. Die beiden da, die das Bild stören, die sind viel schlimmer als Verwandte. Verwandte wird man irgendwann wieder los, die streben immer wieder nach Hause, aber die beiden da, die haben gar kein zu Hause. Und die haben auch keinen Humor. Sie heißt Katharina, er heißt Peter. Sie will mit mir über Kinder reden, er interessiert sich für meine Finanzen. Zugegeben, das sind zwei Themenfelder mit denen ich mich auf der Metalcouch eher nicht beschäftige, aber warum nicht auch mal was Neues wagen, und wenn die beiden denn unbedingt wollen… Hätte ich bloß nicht mitgemacht! Hätte ich bloß nicht meine Gesprächsbereitschaft signalisiert! Denn Katharina sprang plötzlich auf meinen Schoß und hielt ihr Ohr an meine Brust. Peter katalogisierte mit abschätzendem Blick meine Bierformation und mein Interieur. Dann fällten sie gemeinsam ihr vernichtendes Urteil:
Katharina verdammte mich dazu, mehr auf mein inneres Kind einzugehen, mehr mit ihm im Freien zu spielen und vor allem mehr Verständnis zu zeigen. So wie ich mich jetzt gebärden würde, wäre der Weg zu Hartz4 für das Kindliche in mir eindeutig vorgezeichnet. Peter hingegen legte mir knallhart dar, das ich an einem einzigen Abend 10 Euro einsparen könnte, wenn ich anstatt der ausländischen Biererei, Sternburg-Export trinken würde. Auch beim Tabak gäbe es genügend Spielraum, und überhaupt, er hätte mal meinen Lifestyle gegoogelt und festgestellt, das ich auf lange Sicht ganz schön über meine Verhältnisse leben würde. Da waren viel zu viele Finanzkiller in meinem Budget. Und gegen die würden wir ab sofort auf breiter Front antreten.
Ich schickte Peter und Katharina vor die Tür, aber die wollten nicht gehen. Sie hatten auf ihrer Mission noch jede Nuss geknackt, egal wie hart die Fälle waren. Nicht umsonst waren ihre TV-Shows wahre Quotenhits. Ich wurde etwas drastischer in meinen Formulierungen und verwies sie ausdrücklich aus meinen Gemächern. Interessierte die beiden gar nicht. Im Gegenteil, jetzt wurden sie erst richtig munter. Katharina boxte mir wiederholt in die Seite, weil sie sich sicher war, dass das Kind im Manne jetzt mal richtig Lust auf Raufen hatte und Peter klebte Inkassoscheine auf meine Biersammlung. Das hätte er besser nicht gemacht. Ich verstand ja viel Spaß, aber irgendwo ist auch mal Schluß! An den Ohren hab ich die beiden hinter mir hergezogen und sie aus dem Haus geworfen. Kastanien hab ich ihnen hinterhergeschmissen, Wallnüsse, ja sogar mit Äpfeln. Und danach setzte ich mit sofortiger Wirkung einen weiteren Fernsehsender auf den Index, verbannte ihn in die NoGoArea meiner Fernbedienung. Dorthin, wo schon der Puppenverkaufskanal war, und der Swiffersender, und die ehemaligen Musikkanäle und noch viel mehr von dem Quatsch. Weil das aber als Strafe noch nicht ausreichte, habe ich meinem Plasmafernseher auch gleich eine 60-Tage-Tastensperre verpasst. Schließlich ist Herbst und die Zeit ist viel zu kostbar, um sie mit Fernsehen zu verschwenden.
Genießt die Herrschaft des Farbenwandels, taucht Eure Hände noch einmal in kalte Seen und denkt bei dem Wort Eichelmännchen an nichts Schlimmes. Vor allem aber mögen die Brauereien Eures Herzens von depressiven Herbststürmen verschont bleiben.