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AUF DER METALCOUCH (Legacy 53, Februar 2008)

Posted in - Auf der Metalcouch on Februar 8th 2008 0 Comments

Auf der Metalcouch mit Mikis Wesensbitter

…sitzt heute jemand, der hier eigentlich gar nicht sitzen sollte. So rein vom Aussehen her passt der schon, mit seinen langen Haaren und dem Bart, auch die Statur und sein unbändiger Bierdurst sind durchaus Metalcouch kompatibel, trotzdem sollte der eigentlich ganz wo anders sein. Alles fing so an, wie Metalcouch-Geschichten eben anfangen. Es klingelte. Könnte ja ein nettes Mädchen sein, die Carmen oder die Viviane vielleicht, dachte ich. Aber es war Er. Er der jetzt hier seit Wochen rumhängt. Panisch blickte er sich um und flüsterte: „Hilf mir, du bist meine letzte Rettung. Ich werde verfolgt!“

Na und da siegte mein gutes Herz und ich liess ihn ein. So sass er alsbald auf der Couch und wollte nicht mehr aufstehen. „Hier ist mir’s schön, hier will ich bleiben!“ verkündete er. Solche Äusserungen gefallen mir normalerweise ganz und gar nicht, aber er war ein angenehmer Gesprächspartner, konnte die spannendsten Geschichten von fernen Tagen erzählen und unser beider Biergeschmack harmonierte aus vortrefflichste. Ab und an verschwand er für ein paar Stunden, manchmal auch für einen ganzen Tag, doch jedesmal kehrte er mit manischen Zügen im Gesicht zurück. Ich fragte dann und wann nach seinen Problemen, aber er war mehr als geschickt, in der Disziplin Themenwechsel. So wäre es wahrscheinlich ewig weitergegangen, wenn ich nicht an einem sonnigen Januarmorgen entdeckt hätte, das die Weidenkätzchen blühten und auf der Terrasse die Nelken ihre ersten Knospen zeigten. Da beschimpfte ich den Winter, diesen faulen, stinkenden und missratenen Verräter, der sich lieber im Süden rumtrieb, als hier mal ordentlich seiner Arbeit nachzukommen und Schnee und Eis herrschen zu lassen. So wie es sich gehören würde. Monatelangen Knackfrost verlangte ich und nicht diesen Puschenkram da draussen! In meiner Wut ging ich so weit, den Winter als alte Lesbe zu bezeichnen. Und da hatte ich plötzlich die Hände meines Gastes an der Kehle. „Nenn mich nicht Lesbe! Tu das niemals!“ Fremde Hände an meinem Hals konnte ich gar nicht ab, deshalb trat ihm impulsiv in die Eier, er zog mir an den Haaren, wir boxten uns und irgendwann war auch wieder gut. Und dann verriet er mir, wer er wirklich ist. Er war der Winter, der sich vor den anderen drei Jahreszeiten versteckte. Weil die ihn nämlich immer mobbten. Früher da war das anders, da sahen sie sich ja so gut wie nie, aber in den letzten Jahren, seit dem Boom der Billigflieger, da konnten die anderen es sich ständig leisten mal schnell vorbeigejettet zu kommen und ihn zu terrorisieren. Besonders der penetrante Sommer konnte gar nicht genug stänkern. Und alles nur weil er mal was mit dem Weib vom Sommer hatte, damals in der letzten Eiszeit.

Tja, was soll ich sagen. So bekam selbst die Klimakatastrophe eine persönliche Nuance. Ich tue mein Bestes, ich mach dem Winter ganz viel Mut, baue sein Selbstbewußtsein auf und geb ihm ordentlich Karjala-Export zu trinken. Bestimmt ist er im nächsten Jahr schon wieder soweit, um es ordentlich wirbeln zu lassen. In diesem Jahr wird das aber eher nix mehr. Dafür ist seine Psyche einfach noch zu instabil.

Aber auch ohne Schnee kann man glücklich sein! Genießt die Zeit in Eurer eigenen Geschwindigkeit, lehnt Euch zurück, wenn die anderen schon wieder zum nächsten Festtagsturm blasen und vor allem mögen die Brauereien Eures Herzens mit sich selbst im Reinen bleiben.

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