Auf der Metalcouch (Legacy 59/Februar 2009)
Auf der Metalcouch…
…mit Mikis Wesensbitter…
…gehen wir heut auf Nummer Sicher. So eine Pleite wie beim letzten Mal passiert mir nicht noch mal! Das war ja regelrecht peinlich durch die Verschiebung, denn wer will schon im Januar noch über Weihnachtsfeiereien lesen? Deshalb zelebrieren wir heute schon Ostern. Damit sind wir nicht nur die ersten, die das feiern, nein wir haben auch genügend Vorsprung, falls es wieder Probleme in der Druckerei gibt. Und es gibt noch andere gute Gründe jetzt lieber schon Ostern zu feiern. Wir sind schließlich inmitten der schwersten wirtschaftliche Krise, die es je in Deutschland gab und wer weiß denn da schon, wie es in zwei Monaten aussieht. Vielleicht gibt es dann schon jede Woche einen Feiertag? Vielleicht gibt es Ostergeld vom Staat, als Konjunkturmaßnahme, aber vielleicht gibt es auch keinen Osterhasen mehr. Weil seine Firma Insolvenz anmelden musste.
Wie auch immer, ich habe den Raum mit Osterglocken dekoriert (die gibt es ja inzwischen ganzjährig im Blumenhandel. Als kleinen Tipp, falls jemand mitfeiern will), habe den Weidenkätzchenstrauss mit schwarz gefärbten Eiern geschmückt, elegische Musik aufgelegt und vor allem habe ich den Bierspezialitätenlieferanten umdisponiert.
Ich liebe Ostern, da wird mir immer so richtig heimelig. Wann sonst kann man mit verbundenen Augen über das Parkett kriechen und sich die wirklich wichtigen Fragen des Lebens stellen. Nämlich: wo habe ich mir das Cristal-Pilsner aus Peru versteckt, wo lagert das Probierpaket der französischen Privatbrauereien und wo zum Teufel noch mal sind die feinen Mariestads Export? So eine Suche geht natürlich nicht ohne Kollateralschäden vonstatten, aber das ist ja das schöne daran. Es kracht und poltert, Dinge fallen um, Dekostoffe reißen, ich ramme Tische und Stühle, stoße gegen Schränke und Polstermöbel. Kurzum ich habe richtigen Männerspaß. Die Atmosphäre vibriert regelrecht vor Testosteron, Schweiß und Lebensfreude, gepaart mit Kampfslust und Gier. Gleich finde ich Euch, ihr frechen kühlen Bier-Prinzessinnen.
Und da klingelt es an der Tür. Natürlich! Genau in dem Moment, wo es am schönsten ist. Ich will nicht gestört werden, ich will niemanden sehen! Aber jetzt ist es sowieso zu spät. Jetzt ist der wunderbare Zauber sowieso verflogen. Ich hab richtig schlechte Laune!
Entsprechend wütend stapfe ich zur Tür. Wenn das jetzt der Hase ist, der mir meine Osterzeremonie zerstört, dann gibt es aber einen richtigen Satz heiße Ohren!
Aber vor der Tür steht keine Osterhase. Auch kein Bunny, wie ich für einen kurzen verdorbenen Moment gehofft hatte, sondern die alte Oma Enzenbach von gegenüber. Wie jedes mal wenn wir uns sehen, erschrecken wir uns voreinander.
„Herr im Himmel“ kreischt sie, „Teufel noch eins“ schreie ich.
„Sie sehen fürchterlich aus Herr Wesensbitter.“ sagt sie.
„Sie auch Frau Enzenbach, sie auch.“ sage ich nicht. Das sagt man schließlich nicht zu einer 90-jährigen Dame. Dafür sage ich: „Aber sie sehen blendend aus Madame Enzenbach!“
„Ach Herr Wesensbitter, die Zeit. Die Zeit dreht schon wieder durch. Könnten sie vielleicht einmal nach dem rechten sehen? Sie haben doch so ein besonderes Gespür dafür.“
Oh weh, das würde lange dauern. Wenn die Oma Enzenbach in der Zeitspirale gefangen saß, dann wurde man sie nicht so schnell wieder los. Wehmütig blickte ich in Wohnung zurück. Ostern ade, die nächsten Stunden würde ich Kuckucksuhren, Wecker und goldene Armbanduhren synchron stellen müssen. Und mir dabei Geschichten über den 1.Weltkrieg, die Sparsamkeit, die Manieren der Jugend früher und das Morphium anhören müssen. Ich glaub das erspare ich Euch und blende an dieser Stelle besser aus.
Genießt Ihr mal lieber Eurer Leben, entdeckt beim Wandern die ersten Schneeglöckchen am Waldesrand, grabt trotz Bodenfrost um, wenn Euch danach ist und feiert Ostern, wann und wie es Euch beliebt. Vor allem aber mögen die Brauereien Eures Herzen von jugendlichem Leichtsinn verschont bleiben