Reise durch die Zeit: 1999 – Vom Wunder des Lebens
Es gibt nur wenige Momente im Leben, die wirklich für die Ewigkeit bleiben und die meisten davon sind dann auch eher unangenehmer Natur. Um die soll es aber nicht gehen, sondern um einen meiner liebsten „Magic-Moments“ aller Zeiten! Die Geburt meiner Tochter vor zwanzig Jahren!
Davor
Geplant war es nicht, dass wir schwanger werden, aber was fragt die Natur nach Plänen? Nach Überwindung der permanenten Übelkeit und der Rollmops-Phase kam die wunderbare Leichtigkeit des Seins, die Erkenntnis, bald wird alles anders sein und der Beschluss das zusammen und gemeinsam zu schaffen!
Von Anfang an stand fest, dass es eine Hausgeburt werden muss, weil das Kind in einer schönen Umgebung zur Welt kommen soll und nicht in einem Krankenhaus. Ist ja schließlich niemand krank! Der Geburtsvorbereitungskurs (mit alternativer Ausrichtung) fegte die letzten Zweifel weg, wir kauften Schafswollhöschen, bekamen jede Menge Baumwollwindeln aus DDR-Produktion vererbt und waren bereit. Kind aber noch nicht.
Dabei
Dann kamen die Wehen. Das unsere Hebamme eher eine rustikale Gangart hatte, wussten wir natürlich schon, also wunderte ich mich auch nicht, über ihre unwirsche Reaktion auf meinen Anruf. Sie hatte sich ihren Abend irgendwie anders vorgestellt. Aber wenig später saßen dann zwei Hebammen im Wohnzimmer, machten Handarbeiten und tranken Tee, während Frau und ich uns durch den Wehen-Dschungel kämpften. Vier Stunden später und nach dreiundzwanzig Nachfragen, ob sie als Fachfrauen nicht mal handeln wöllten, schritten sie dann, nach einem besonders lauten Schmerzensschrei, zur Tat! „Na, auch kein Vergnügen, einen Fußball aus der Muschi zu pressen!“ war das Intro der Geburtszeremonie. Die sich endlos hinzog. Als Soundtrack lief in Endlosschleife „The 3rd & The Mortal“.
Und dann war plötzlich dieses kleine neue Wesen auf der Welt. Diese wunderschöne Baby, das mit dem ersten Schrei klarmachte: „Ich bin die Prinzessin, auf die ihr gewartet habt!“
Ja, genau das war sie! Und nach alter Tradition hieß es dann: „Manchmal muss es Mumm sein!“
Danach
Kind musste trinken lernen, konnte nicht schlafen und wir hatten keine Erfahrungen. Woher auch? Und wir waren so erschöpft, und hatten kaum Zeit zum Luftholen, zwischen tragen, trinken, singen, wickeln und Bauch streicheln. In ihrer zweiten Nacht war die Prinzessin so unruhig, dass ich sie in meine Arme nahm, mit ihr durch die Wohnung spazierte und wir schließlich auf der Couch landeten und „Forest Gump“ sahen. Ich habe nie in meinem Leben einen Film so intensiv erlebt, wie in dieser Nacht. Beseelt von Vaterglück, das kleine schlafende Würmchen auf meinem Arm und Rührungstränen ohne Ende.
Da ein Kind ja auch einen offiziellen Namen braucht, musste ich ins Standesamt. Die Bearbeiterin ließ vor Schreck fast ihre Kaffeetasse fallen. Nicht wegen meinem Aussehen, sondern wegen meinem Erscheinen. Warum? Es war Vormittags, Mutti-Sprechstunde. Die Vatis sind doch alle arbeiten um diese Zeit. Nun, ich nicht. Weil es meine Aufgabe war, die Dinge zu regeln, da Frau ja im Wochenbett bleiben musste. Zur Strafe erkannte sie den Kindesnamen nicht an und ich musste ihn vom Institut für deutsche Sprache bestätigen lassen.
Ausgerechnet am Sonntag gab es einen Milchstau und ich irrlichterte durch die Gegend, um Quark für Brustwickel zu besorgen. Keine gute Idee damals. Aber nach zwei Stunden fand ich ihn. An einer Tankstelle in Lichtenberg. Und so bekamen wir auch das in den Griff. Wie alle anderen Schwierigkeiten. Von A wie Alpträumen über W wie Windelnkochen bis zu Z wie Zahnen.
Heute
Seitdem sind zwanzig Jahre vergangen.
Kind ist inzwischen groß. Und schön. Und sehr Erwachsen.
Es sind aber auch zwanzig Jahre, in denen sich die Gesellschaft weiterentwickelt hat. Nur leider nicht unbedingt nicht zum Guten!
Hebammen machen kaum noch Hausgeburten, nach Kindergartenplätzen muss man jagen, wie einst nach Goldstaub und trotz Elterngeld reicht die Kohle kaum zum Leben. Spielplätze sind zu streng bewachten Nichtraucherzonen geworden, obwohl sie unter freiem Himmel sind. (Und bewußte Menschen natürlich ihre Kippen über den Zaun werfen, und nicht in den Buddelkasten!)
Vor zwanzig Jahren dachten die meisten im Jugendamt noch, Patchwork wäre Kindswohlgefährdung. Und wenn man als Mann aus dem Babyjahr kam, war die Frauenbeauftragte des Arbeitsamtes plötzlich für einen zuständig. Daraus ergaben sich skurrile Momente.
Heute hingegen wird ständig über Gleichberechtigung diskutiert. Anstatt die einfach zu leben! Und dazu braucht es keine Gesetzte, Quoten oder Ministerien. Das macht man einfach gemeinsam! Ganz besonders dann, wenn man ein Kind bekommt!