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Reise durch die Zeit – Oktober 1982

Posted in - Bücher & Entertainment on November 11th 2020 0 Comments

Mein neues Buch wird 2021 erscheinen, hier ein Vorab(ein)druck:

Am Nachmittag war FDJ-Versammlung. Die Trottel hatten ihr FDJ-Hemd schon den ganzen Tag an, was man an den Schweißflecken unter den Armen von Maik, Bärbel und Heiko auch deutlich sah. Wir gingen uns nach der 6. Stunde auf dem Clo umziehen.

„Igitt, das olle Ding nervt!“ fauchte Kai, als er die Knöpfe zumachte. „Fühlt sich an wie Zwangsjacke!“

„Fick dich! Was soll ich denn sagen!“ schrie Wenzel.

Der stand vor dem Spiegel und sah aus wie Bud Spencer, den sie in ein zu enges Kostüm gesteckt hatten. Die obersten zwei Knöpfe gingen zu, mehr war nicht machbar.

„Mist, das haben wir nach der Kur gekauft, da war ich ja nur die Hälfte, von heute. Und nun?“

„Ach lass einfach offen, Hautsache du hast das an! Und ist doch ein schöner Kontrast mit dem weißen Unterhemd!“ bestimmte ich. Und so gingen wir los.

Im Klassenraum kreischte Frau Drescher auf, als sie Wenzel sah: „Du bist FDJ-Mitglied und kein Fernfahrer! Knöpf dein Hemd gefälligst zu!“

„Dit jeht nich. Da fliegen ihnen die Knöppe um die Ohren. Muss an die Schulspeisung liegen, det dit nich mehr passt.“

Ehrengast zu unserer Versammlung war Frau Iskander, die uns über die Gründungszeit der FDJ berichten wollte. Die kannten wir schon, vor vier Jahren hatte sie uns über die Gründungszeit der Pionierorganisation berichtet. Jünger geworden war sie nicht in der Zwischenzeit.

Bevor sie anfing zu labern fragte sie Patricia mit vorwurfsvollem Ton, warum sie kein FDJ-Hemd trug.

„Weil ich das nach Nicuragua geschickt hab!“

„Wohin?“

„Nicuragua!“

„Das heißt Ni-ca-ra-gua!“ mischte sich die Drescher ein.

„Und warum hast du das dahin geschickt?“ wollte die Alte wissen

„Damit ein junger revolutionärer Geist, sich gut kleiden kann, im Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus! Revolution soll ja auch gut aussehen, oder?“

„Das haben wir früher auch gemacht! Wir haben den Schwarten im Busch die alten Waffen-SS- Uniformen geschickt. Damit die im Kampf gegen die Kolonialmächte nicht nackisch rumlaufen müssen.“

„Echt? Und Waffen auch?“ fragte Matthias.

Frau Iskander schaute nach links und nach recht, dann flüsterte sie: „Pssst. Nicht verraten. Ja Waffen haben die auch gekriegt. Und jede Menge Munition. Lag ja überall noch genug rum. Und die „Kasernierte Volkspolizei“ hat ja sowjetische Ausrüstung bekommen.“

„Was haben die FDJ-lerinnen eigentlich gemacht wenn sie ihre Regel hatten?“ wollte Heike wissen.

„Was ist denn das für eine blöde Frage? Das was alle anderen Frauen auch gemacht haben.“

„Und was? Binden gab es ja damals noch nicht, oder?“

„Stoffreste vorgelegt, oder den wollenen Regelschlüpfer angezogen. Auf dem Land haben die Frauen wohl auch Moos benutzt und im Lausitzer Land, soll es wohl auch nicht unüblich gewesen sein, sich ein Eichhörnchen in die Scheide zu steckten. Bei denen war ja damals noch Urwald und da gabs ja genug von den Viechern.“

„Iiiieeh“ kreischte Heike. „Lebendig?“

„Bestimmt!“

Heike und Yvonne rannten aus dem Klassenraum. Und Frau Iskander schüttelte den Kopf, bevor sie sagte: „Gundula, meine Stimme wird rau und tief. Krieg ich mal was zu trinken?“

Frau Drescher holte ihre Thermoskanne und goß einen Becher ein. Sofort verbreitete sich ein heimeliger Geruch nach warmen Alkohol im Raum.

„Oh das tut gut!“ verkündete sie. „So, wo waren wir? Aktion Ochsenkopf war toll! Da sind wir über die Dächer und haben alle Antennen, die nach Westen gerichtet waren abgesägt. Das hat Spaß gemacht.“

„Und wo war der Sinn dabei?“ fragte Ingo.

„Na damit die Menschen kein imperialistische Westfernsehen mehr gucken konnten, natürlich.“

Nach einer Stunde machte die Drescher endlich Schluß, weil Frau Iskander angetüdelt war und nur noch Blödsinn erzählte. Patricia war eingeschlafen und wir mussten sie wecken.

Auf Kais Frage, ob sie ihr FDJ-Hemd wirklich nach Nicuragua geschickt hätte, rollte sie nur mit den Augen. „Nee, natürlich nicht. Weeste wie teuer das wäre? Hatte einfach keinen Bock den Lumpen anzuziehen!“

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