Teaser! Trailer! Neue Geschichte: AKQUISE IST KRIEG!
Gilbert ahnte schon auf dem Weg zur Arbeit, dass es eine dumme Idee gewesen war, diesen Job anzunehmen. „Add-Attac!“ klang plötzlich vollkommen unsexy und er wäre am liebsten Frankfurter Tor schon wieder aus der U-Bahn ausgestiegen, aber diese Schmach wollte er sich nicht antun. Außerdem brauchte er dringend Geld, wenn er seinen Lebensstandard halten wollte. Am Alexanderplatz schob er sich durch das Gedränge und fünf vor acht stand er vor dem runtergekommenen Plattenbau und fuhr mit dem versifften Fahrstuhl in die vierte Etage.
Im Flur stand eine ältere Dame, blonde auftoupierte Haare, Pelzmantel und ganz viel greller Lippenstift. „Du bist bestimmt der Neue! Guten Morgen, ich bin die Heidi!“
Sie reichten sich die Hände und Gilbert sah die Folgen von vielen langen Nächten und viel Alkohol in ihrem Gesicht. Trotz der vielen Schminke. Früher war sie bestimmt sehr hübsch gewesen, ein Anflug von ihrem ehemaligen Glanz, erkannte er in ihren Augen.
„Du hast noch keinen Schlüssel, oder? Ich hab meinen vergessen. Und Herbert sitzt immer von 7:55 bis 8:15 auf dem Klo und lässt niemanden rein. Naja müssen wir eben warten.“
Heidi bot ihn eine lange weiße Frauenzigarette an, aber er lehnte ab und drehte sich lieber selber eine. Punkt 8:15 hörte er, wie der Schlüssel sich im Schloss drehte und dann wurde die Tür geöffnet und ein dicker Mann im Anzug baute sich im Türrahmen auf.
„Na Stoßtrupp Heidi, mal wieder den Schlüssel vergessen?“ fragte er. „Und wen haste denn da mitgebracht? Den Neuen?“
Er musterte Gilbert aus blutunterlaufenen Augen. Seine Hautfarbe sah extrem ungesund aus und alles an ihm wirkte abstoßend.
„Na mal rin in die jute Stube. Du kommst gleich mit mir mit, dein Arbeitsplatz wird in meinem Büro sein.“
Gilbert folgte ihm durch einen langen Gang. Herbert zeigte auf die Türen auf der linken Seite und sagte: „Da sitzen die Internetzvögel. Arrogantes Pack, die denken mit ihrem neumodischen Mist sind sie die Kings. Reichweitenverlängerung! Mediapackages! Bannerschaltung! Wenn ich diesen Mist höre könnt ich kotzen. Wir machen noch richtige Männerarbeit!“
Das Büro war mit Regalen vollgestellt, Aktenordern neben Aktenordner und trotz Sonnenschein, schien nur trübes Licht durch die Fenster. Die Luft war nikotingeschwängert und verbraucht. Es roch nach Fusel, Knoblauch und sehr viel Schweiß.
„Is Raucherbüro. Die können mir mal mit ihrem beschissenen Gesundheitsvorsorgedreck. Und da Alter, da steht unser Motto!“ Er zeigte an die einzig freie Wand. Dort stand in schwarzen Großbuchstaben: AQUISE IST KRIEG!
„Setz dich da drüben an den Schreibtisch und hör mir einfach ‘ne halbe Stunde zu, wie ich das mache. Da lernste mehr, als bei jedem beschissenen Workshop der Welt. Wenn du Fragen hast dann schreib sie dir auf. Ich geb dir dann nachher deine Kundenliste. Du machst Kalt-Aquise, damit du die Sache gleich richtig lernst.“
Gilbert setze sich hinter den Schreibtisch und versuchte heimlich mit einem Taschentuch den Staub und die Flecken wegzuwischen, während Herbert sein Sacko auszog, auf einen Bügel hängte und sich den Telefonhörer griff.
„Moin Wolfi, Herbi hier… jenau is wieder Zeit für ne A4 Anzeige… jaja komm, die Leier von wegen keine Kohle kenn ich… ich wein auch gleich mit… Finanzkrise? Was hast du denn mit der Finanzkrise zu tun?… Erzählt mir deine Alte auch immer nach dem Sex, das es grad nicht so gut läuft… Nicht lustig? Sie geht wieder fremd?… Was auch noch mit dem Idioten? Alter auf die Fresse, aber volles Rohr!… Freitag? Hab ich noch nix vor… Super, da löten wir uns erst richtig zu und vermöbeln dann den Drecksack… Ich schick dir die Auftragsbestätigung rüber, kriegst 20% Rabatt… Is doch Ehrensache!“
Er schaut triumphierend und hob den Daumen!
„Haste mitgekriegt, wie der Hase läuft? So macht man das! Und schon ist das Tagessoll erfüllt! Um 9:01! Und jetzt ist der Stinksack vom Möbelhaus dran. Hör genau zu, das ist auch so eine kleine Ratte, die immer rumheult! Aber vorher gibt’s erst mal eine Belohnung!“
Er zog einen Ordner aus dem Regal und holte eine Flasche Rostocker Doppelkümmel hervor.
„Falls du überlegst abzulehnen, dann kannste gleich dein Zeug schnappen und verschwinden. Dann kündige ich dich höchstpersönlich und auf der Stelle!“
Gilbert stieß mit ihm an und kippte das Zeug hinter. Dabei hoffte er inständig, dass Herbert heute keine weiteren Erfolge haben würde.
Wie es weitergeht? Das wird natürlich nicht verraten! Da müsst ihr noch warten, bis mein Kurzgeschichtenbuch „Und dann war ich plötzlich Erwachsen und Nüchtern“ (Arbeitstitel) erscheint. Kann ja nicht mehr sooo lange dauern…