Lieblingsbuch-Alarm: John Niven – Alte Freunde
Mit „Kill Your Friends“ wurde John Niven über Nacht zum Star der abseitigen Literatur. Eine schräge Geschichte über Musik, Drogen und bizarre Morde reichte aus, um ihn in den Olymp der schottischen Literaten zu heben.
Doch sein wirklich großer Moment kam erst danach, nämlich mit seinem zweiten Buch „Coma“. Diese Geschichte über einen Hobbygolfer, der durch semi-göttliche Fügung nicht nur ein Tourette-Syndrom bekommt, sondern plötzlich auch perfekt Golf spielt, ist eines der Bücher, die man gelesen haben muss! Eine perfekte Symphonie, aus Schimpfwortkaskaden, seltsamen Sport, sexuellen und kriminellen Verflechtungen. Ein Buch für die Ewigkeit!
Danach folgten diverse andere Veröffentlichungen, die ich an dieser Stelle vernachlässige, denn mit seinem neuen Buch „Alte Freunde“ kehrt John Niven endlich wieder dahin zurück, wo er am besten ist.
Alan steht kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag, verdient gutes Geld als Restaurantkritiker und Kochbuchautor. Sein Bauch ist zwar dicker, als er es gerne hätte, aber ansonsten gibt es kaum Grund zur Klage für ihn. Großes Haus, tolle Frau und die drei Kids nerven so, wie Kids eben nerven müssen. Als er mal wieder in London unterwegs ist, stolpert er regelrecht über seinen alten Schulfreund Graig. Und das verändert sein Leben komplett.
Was macht man, wenn man einen Freund aus der fernen Vergangenheit trifft, der gestrauchelt ist und auf der Straße lebt? Alan weiß es nicht. Er lädt Graig zum Bier ein und weil er den Absprung nicht schafft, nimmt er Graig mit nach Hause, damit der endlich mal wieder duschen und in einem richtigen Bett schlafen kann. Und natürlich kann er ihn am nächsten Morgen nicht einfach wieder wegschicken, schließlich ist es draußen kalt und Platz haben sie ja genug im Haus. Aber ist das wirklich eine gute Idee?
John Niven hat mit „Alte Freunde“ nicht nur ein tolles Buch geschrieben, sondern er betritt auch eine wahre menschliche Grauzone. Denn, wie ist das mit den alten Freundschaften? Verbinden pubertäre Gemeinsamkeiten auch dreißig Jahre später noch? Oder bleibt die Vergangenheit immer ein Ort, der seine ungelösten Konflikte auch auf die Gegenwart ausstrahlt? Viel Stoff zum nachdenken!
Nebenbei liefert er auch noch die großartigste Fäkaliengeschichte der Weltliteratur ab, denn der Moment, als Alan in einem altersschwachen Herrenhaus den Tribut für seinen Abführmittelmissbrauch zahlen muss, entwickelt sich zu einem derartigen Inferno, das es einem die Tränen in die Augen treibt und mir den besten und vor allem unkontrollierbarsten Lachflash der letzten Dekade beschert hat. Schon allein für diesen Moment muss man „Alte Freunde“ lesen und John Niven lieben!
Und zum Schluss noch mein Lieblingsbild, vom Treffen mit dem Großmeister persönlich auf der Filmpremiere von „Kill Your Friends“
Fotocredits: Heyne Hardcore & BerlinFotografin.de